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Was du tun kannst, wenn dein Kind mit Behinderung schreit (ohne Schmerz, etc.)

Aktualisiert: 28. Apr. 2023

Schreien als herausforderndes Verhalten bei Kindern mit Behinderung



Schreien wird zu einer der häufigsten herausfordernden Verhaltensweisen gezählt, daher habe ich euch dazu einen kleinen Blogbeitrag verfasst. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen & freue mich über euer Feedback! 



Als erstes muss betont werden, dass in dem folgenden Beitrag vor allem von persistierendem, lautem Schreien im Kindesalter die Rede ist. Es ist eine Erscheinungsform des Schreiens gemeint, die wir allgemein nicht als normal einschätzen würden. Als „normales“ Schreien stufen wir beispielsweise das nächtliche Schreien von Neugeborenen, bei Kindern kurze Jubelschreie oder Schreien vor sichtbarem Schmerz ein. Als nicht „normales“ Schreien wird jedoch meistens das anhaltende Schreien ohne objektiv erkennbare Gründe von älteren Kindern eingestuft. Weitere Beispiele sind, wenn Kinder im Unterricht ununterbrochen schreien oder Jugendliche Anfallsähnlich in Intervallen schreien. All diese Erscheinungsformen des Schreiens werden in der Regel als Verhaltensauffälligkeit, herausforderndes Verhalten, unangemessen oder Provokation bewertet.  



Warum wir Schreien blöd finden



Weil jeder Mensch Schreien als unangenehm wahrnimmt. Wissenschaftlich erklärt, kommt die alarmierende Wirkung des menschlichen Schreis durch seine einzigartigen Schwankungen in der Lautstärke zustande. Je schneller ein Ton in der Lautstärke variiert, umso stärker reagiert die Amygdala, das Angstzentrum unseres Gehirns, darauf. Einfach erklärt verändert sich beim Schreien die Lautstärke also so schnell, dass das menschliche Gehör nicht hinterherkommt, und den rauen Ton als unangenehm empfindet.



Warum nehmen wir Schreien dann in manchen Kontexten als herausforderndes Verhalten wahr und in anderen nicht ?



Weil Schreien nicht isoliert betrachtet werden kann. Schreien findet immer in einem sozialen Kontext statt. Wir messen jedem Schrei eine Bedeutung zu. Sei es der Schrei eines Babys aus Hunger, ein Schrei vor Freude wenn etwas klappt, Schreien aus Schmerz oder Schreien vor Wut. Durch Schreien kann man außerordentlich viel ausdrücken. Solange wir nachvollziehen können warum jemand schreit, können wir es auch irgendwie noch aushalten. Zumindest für eine kurze Zeit. Aber wenn wir nicht verstehen, warum jemand plötzlich aufschreit oder brüllt und nicht mehr aufhört, dann bewerten wir das Schreien sofort als negativ und wollen uns diesem entziehen oder es am liebsten so schnell wie möglich unterbinden. 



Was hinter dem Schreien steckt:



Am Anfang jeder menschlichen Kommunikation steht der Schrei. 



Schreien ist unsere erste Ausdrucksmöglichkeit. Bei uns allen. Durch Schreien äußern wir unsere Bedürfnisse. 



Später können durch Schreien aber auch (unterdrückte) Gefühle oder Macht nach außen getragen werden. Viele Menschen mit Behinderung schreien beispielsweise, weil sie sich ständig abhängig und machtlos fühlen. Man kann sich ja vorstellen, dass es ab einem gewissen Alter nicht mehr schön ist durch fremde Hilfe (und ständig wechselnde Betreuer) geduscht, gefüttert, angezogen, usw zu werden. Manchmal schreien sie aber auch, da ihnen andere Kommunikationsmittel nicht zur Verfügung stehen. Schreien kann also unheimlich viele verschiedene Auslöser haben, die nicht immer sofort sichtbar sind.



Schreien hat aber zugleich auch immer etwas mit Selbstbeherrschung/-kontrolle zutun. Menschen, die sich nicht gut regulieren können, können meistens auch kein instinktives Schreien unterdrücken. 



Trotzdem ist das andauernde Schreien eines Kindes für sein Umfeld eine Belastung. Wir alle nehmen schreien als unangenehm war. Manchmal schaffen wir es uns daran zu gewöhnen bzw. es auszuhalten, manchmal aber auch nicht. Ich finde es auch in keinster Weise verurteilbar, wenn man zugibt, dass man das Schreien einer Person als anstrengend empfindet. Aber ich glaube, dass niemandem dauerhaft damit geholfen ist, wenn man einfach versucht das Schreien zu unterbinden oder zu ignorieren.



Was kann man beispielsweise bei andauerndem Schreien bei Kindern mit Behinderung tun? 



  • Realisieren, dass es in dem Moment für die Person das einzig sinnvolle Verhalten ist & sie sich nicht anders ausdrücken kann. Geistig behinderte Kinder erfassen meist das Prinzip des Provozierens nicht, daher schreien sie auch nicht aus Provokation.

  • Versuchen den Schrei zuzuordnen (Reizüberflutung, Müdigkeit, Wut, Freude, Unterbrechen der Routine, unvorhersehbare Veränderungen, usw.)

  • Suchen nach dem Auslöser für den Schrei (körper- oder emotionsbezogen)

  • Das Schreien nicht die Beziehung zu der jeweiligen Person bestimmen lassen

  • Das Schreien aushalten können (in dem Sinne, dass das Schreien als Ausdrucksmöglichkeit bzw. Bedürfnis anerkannt wird)

  • Schreien ist häufig ein Ausdruck von Angst oder Abwehr & sollte in dem Fall genauso behandelt werden wie Weinen o.Ä. Es ist selten hilfreich auf Abwehr mit Abwehr zu reagieren.

  • Konkrete Maßnahmen ergreifen (den Körper spüren lassen, Musiktherapie, Verhalten spiegeln, Abstand gewähren, Gemeinschaft herstellen, Atmosphäre ändern, Verständnis zeigen, Alternative Verhaltensweisen aufzeigen)

  • Schreiprotokoll erstellen, um Auslöser zu finden 



Ich glaube, dass es kein Rezept dafür gibt wie man mit Schreien umgehen sollte. Jedes Schreien hat einen anderen Auslöser, jede Beziehung zu der jeweiligen Person unterscheidet sich und am Ende hat jeder Mensch auch seine individuelle Grenze, was das Aushalten des Schreiens betrifft. Aber insbesondere im Kleinkindalter sollten Eltern Unterstützung erhalten, um beispielsweise Schütteltraumata zu verhindern.

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